Dein Leben mit dem Tod

 
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Niemand kann uns so gut wie der Tod beibringen, was in unserem Leben wirklich wichtig ist. Wir können unser ganzes Leben versuchen zu verinnerlichen, dass es egal ist, wer oder was wir sind: ob weiss oder schwarz, gross oder klein, dick oder dünn, arm oder reich. Wir machen jeden Tag diese Unterscheidung, schon allein dadurch, dass wir uns selbst sagen, dass es ja egal ist. Doch dem Tod ist es wirklich egal, er nimmt jeden mit. 

Dabei bringt er uns so viel bei: wir können nichts mitnehmen, am Ende bleibt nur unser Selbst. Es lohnt sich auch nicht, sich abzumühen für bestimmte Dinge; der Tod hat für alles die gleiche Perspektive. Auch materielle Dinge wie Häuser, Schmuck oder Autos machen uns nur temporär glücklich; der Tod wird es uns eines Tages alles wieder nehmen.

Wenn eine dir nahestehende Person plötzlich furchtbar krank wird und auf einmal nur noch wichtig ist, diese Person am Leben zu erhalten, dann wird alles andere egal. Hier gibt uns der Tod wieder die einzig richtige Sichtweise an die Hand und lenkt unsere Aufmerksamkeit wieder auf die wirklich wichtigen Dinge: wie wertvoll und endlich das Leben ist. Leider braucht es immer erst ein so schlimmes Ereignis wie das Ableben eines geliebten Menschen, damit wir uns dessen wieder bewusst werden. Es muss immer erst ein Unfall passieren, damit wir das Leben erst wieder richtig schätzen.


“Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wir zu leben.”

- Marcus Aurelius


Wieso ist das so?

Aus irgendeinem Grund muss sich immer erst etwas Schlimmes ereignen, damit wir wieder realisieren, wie wertvoll doch das Leben ist. Seit Jahren suche ich nach dem Grund dafür und beschäftige mich mit dem Thema. Inzwischen ist mir viel bewusster geworden, dass es von einem Moment auf den anderen einfach zu Ende gehen kann; für mich selbst, aber auch für meine Freunde, meine Familie, ja sogar meine Katze.  Mein Vater konnte mir dazu viel beibringen. Am Grabe meiner Grossmutter sagte er zu mir: “Weisst du Jacqueline, es ist immer zu früh, dass jemand gehen muss”

Wir werden nie genug Zeit mit unseren Liebsten verbringen können. Doch noch wichtiger war seine zweite Lektion: er hatte sich nichts vorzuwerfen, weil er genau so viel Zeit mit ihr verbracht hatte, wie er wollte und konnte. Jeden Sonntag nahm er sich Zeit für seine Mutter, und gab sich Mühe, sie so gut wie möglich in seinen Alltag zu integrieren. Er verbrachte also bewusst viel Zeit mit ihr noch zu ihren Lebzeiten.


Jeder Tag könnte der Letzte sein

Ich habe die Worte meines Vaters verinnerlicht und versuche es nun selbst umzusetzen, beispielsweise mit meiner Katze. Ich habe sie bereits fest ins Herz geschlossen und liebe sie, als wäre sie mein eigenes Kind. Und genau deswegen versuche ich so viel Zeit wie nur möglich mit ihr zu haben und verbringe jeden Tag mit ihr, als wäre es ihr Letzter. 

Das dürfen wir auch auf unsere Mitmenschen übertragen: wir dürfen versuchen, sie stets so zu behandeln, als wäre dies ihr letzter Moment mit uns. 

Im Song “I’m gonne love you” singt Meghan Trainor davon, ihren Liebsten immer so zu lieben, als würde sie ihn verlieren, und immer so fest umarmen, als würde sie “Lebewohl” sagen. Sie ist sich bewusst, dass der letzte Moment jederzeit da sein könnte; und wenn wir jeden Moment für den letzten halten, können wir ihn umso mehr geniessen. 


Nie im Streit auseinandergehen…

Eine gute Freundin von mir hat sich geschworen, nie einen Streit mit einer Person unbereinigt zu lassen. Sie konnte nicht einmal in Ruhe schlafen gehen, bevor nicht alles geklärt war, weil sie nicht einschlafen wollte, während sie immer noch wütend auf eine bestimmte Person war. Sie hätte sich nie von einer Person verabschiedet, ohne sich einigermassen mit ihr versöhnt zu haben. Sie behielt recht: als eines Tages ihr Vater an einem Herzinfarkt starb, hatte sie sich nichts vorzuwerfen, da sie stets im Reinen mit ihm war. 


Wir dürfen versuchen jeden Moment zu nutzen!

In seiner Rede an der Stanford University sagte Steve Jobs:


“Seit 30 Jahren schaue ich jeden Tag in den Spiegel und frage mich: Wenn heute mein letzter Tag wäre, würde ich ihn genauso leben wie ich es heute plane zu tun?”


Er fragt sich, ob er die Dinge so tun würde, wie er es vorhat, oder ob er vielleicht einiges anders machen würde. Wenn die Antwort an zu vielen Tagen infolge “Nein” gelautet hätte, dann hätte er etwas verändert. Das dürfen wir auch selbst versuchen umzusetzen: Stell dir einmal die Frage “Wenn ich nur noch einen Monat zu leben hätte, was würde ich noch tun?”

Das kann gewisse Dinge in eine andere Perspektive rücken. Wenn der Partner mal wieder vergessen hat den Abwasch zu erledigen, ist das auf einmal viel weniger schlimm. Das lehrt uns auch Dalai Lama: “Be kind whenever it is possible, and it is always possible” Wir sollten keinen Moment verstreichen lassen, ohne unseren Mitmenschen zu zeigen, wie wertvoll sie sind; denn viel zu schnell könnte es die letzte Gelegenheit sein, um ihnen unsere Zuneigung auszudrücken. Mehr von Dalai Lama erzähle ich in diesem Video:

Das Mindset ist entscheidend

Es kommt nicht darauf an, was wir tun. Viel wichtiger ist, wie viel von uns da ist, wenn wir es tun. Ab und zu habe auch ich Phasen, in denen ich nicht richtig da bin - sondern irgendwie einfach nur existiere. Ich merke dann, dass ich nur wie eine Maschine funktioniere und mein Bewusstsein gar nicht richtig anwesend ist. Dank der Achtsamkeits-Praxis (hier geht’s zur Achtsamkeitswanderung) habe ich aber gelernt zu erkennen, wann ich nicht 100%ig da bin, und wann ich wieder zurück in den Moment finden darf. 



Ein paar Achtsamkeitsübungen für deinen Alltag…

1. Bestimmt gibt es gewisse Wege, die du schon tausendmal gelaufen bist. Der Weg ins Büro, zum Supermarkt oder zur Busstation - wie viele Male, die du diesen Weg gegangen bist, hast du wirklich geschätzt? Und wie viel kriegst du noch mit von den Dingen, die sich auf diesem Weg ereignen?


2. Ändere kleine Dinge an ganz alltäglichen Aktivitäten, putze deine Zähne z.B. mit der anderen Hand oder kippe zuerst die Milch und dann das Müsli in deine Schüssel.


3. Atme einmal tief ein und aus nach ganz alltäglichen Ereignissen (z.B. das Klingeln deines Handys, das Ertönen von Sirenen oder das Hindurchgehen durch eine bestimmte Tür). Stell dir selbst dann Fragen wie “Was habe ich gerade gemacht?“, „War das, was ich gerade gemacht habe, sinnvoll?“ und „Wie geht es mir dabei?“




Fazit

Wenn du nur noch einen Tag zu leben hast, werden dir auf einmal Dinge viel wichtiger, die du vorher für selbstverständlich genommen hast; z.B. ein Blick in den Sternenhimmel, barfuss über eine Wiese laufen, ... Aber wieso braucht es eine so tragische Situation, um sich daran zu erinnern, wie wertvoll bestimmte Momente sind? Erinnern wir uns aber jeden Augenblick daran, wie vergänglich wir sind und wie schnell alles vorbei sein kann, lernen wir wieder den jetzigen Moment mit unseren Mitmenschen zu schätzen. 

Hier das Video zum Artikel: