Was wir von Kindern lernen können

 
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„Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.“

- Pablo Picasso

Die Welt durch die Augen eines Kindes sehen. Seine Umgebung mit der Naivität und dem Unwissen, der Lernbereitschaft und Freude am Entdecken eines Kindes erfahren. All das haben wir leider verlernt. Jetzt sind Termindruck, Konkurrenzfähigkeit und Umsatzzahlen unsere Leitmotive.

Dabei besitzen Kinder die besten Voraussetzungen für ein resilientes Ich. Diese drei Dinge sollten wir uns unbedingt wieder von ihnen abschauen:



Treiben lassen

Kinder besitzen die Fähigkeit, sich einfach gehen zu lassen und in den Tag hineinzuleben. Bei mir gibt es keinen Tag, der nicht komplett durchgeplant ist. Ich kann mich nur treiben lassen, wenn das auch konkret als Programmpunkt auf dem Tagesplan steht. Ich gönne mir manchmal solche Tage, meistens Sonntage, an denen ich nichts erledigen muss. Alle Aktivitäten sind auf freiwilliger Basis 😊 Das Stichwort ist Spontanität. Ich treffe mich zum Beispiel mit Freunden, koche etwas Leckeres und Ausgefallenes oder gehe einfach drauf los spazieren. Das Treiben lassen schafft dadurch vor allem viel Kreativität, womit ich auch schon zum zweiten Punkt komme.

Spontanität lässt dich abschalten und so resilienter werden.



Langeweile aushalten

Kinder wissen noch, wie man Langeweile aushält. Ich kann mich noch daran erinnern, dass mir oft langweilig war. Dann bin ich zu meiner Mutter gerannt, habe an ihrem Shirt-Zipfel gezogen und gejammert (auf Schweizerdeutsch natürlich): „Mami, mer isch langwiilig!“ Darauf antwortete sie dann meistens, dass mir jetzt gerne langweilig sein darf, ich die Langeweile also geniessen darf. Wann haben wir das? Früher, wenn wir auf den Bus gewartet haben, dann gab es keine Ablenkungen. Kein Smartphone, keine Mail, die gelesen werden muss, kein Anruf, der getätigt werden muss, kein Spiel, das gespielt werden muss. So ist es auch beim Arzt im Wartezimmer: es ist nicht immer leicht, das Handy nicht in die Hand zu nehmen und sich abzulenken. Auch an verregneten Sonntagen gab es nichts wirklich zu tun, keine Ablenkungen. Es passiert nicht mehr, dass man mit dem Bus fährt, einfach aus dem Fenster sieht und den Gedanken seinen Lauf lässt. Wir zücken immer gleich das Handy. Dabei wünschen wir es uns doch so sehr, mehr Zeit für uns zu haben. Weshalb also dann nicht diese Zeit nutzen?



Lieber Langeweile oder einen Elektroschock?

Es gibt sogar Studien, die belegen, dass wir von Natur aus nicht fähig sind, Langeweile auszuhalten, da das Wesen des Menschen neugierig und entdeckungsfreudig ist: Eine Gruppe von Menschen wurde für fünfzehn Minuten in einen Raum platziert. Dieser Raum war bewusst sehr „langweilig“ und wenig aufregend eingerichtet. Die Teilnehmer wurden gebeten, sich in diesen fünfzehn Minuten nur mit ihren Gedanken zu beschäftigen – alle Unterhaltungsgegenstände wie Smartphones und Tablets wurden vorher eingezogen. Anschliessend wurden sie befragt: Die Mehrheit gab an, dass ihnen die Bedingung extrem schwerfiel. In einem zweiten Durchgang erhielten die Probanden die Möglichkeit, sich selbst per Knopfdruck einen Elektroschock zuzufügen. Und tatsächlich, wirklich unfassbar! Über 60% der männlichen und fast 30% der weiblichen Teilnehmer konnten das Nichtstun nicht aushalten und setzten sich selber lieber einem Schmerz aus. Und das, obwohl die grosse Mehrheit vorher angegeben hatte, unabhängig vom Versuch, lieber 5$ zu bezahlen, als elektrisch geschockt zu werden. So schlimm war es also für sie, mit ihren eigenen Gedanken allein zu sein, dass sie sogar zu so drastischen Massnahmen griffen! Eine Person handelte sich sogar freiwillig fast 200 Schocks ein (Wilson et al. 2014)!


Von der Langeweile zur Kreativität

Dabei ist es so wichtig, einfach mal nichts zu tun. Du kennst das sicher: immer wenn ich spazieren gehe oder unter der Dusche vor mich hindenke, habe ich die besten Ideen. Ich brauche also Langeweile sogar, um meine Kreativität zu steigern! 

In einer 2. Studie liess man Versuchspersonen ein paar Seiten an Nummern aus dem Telefonbuch vorlesen… eine sehr stupide Aufgabe also. Im Anschluss wurden sie gemeinsam mit Studenten ohne die vorherige Aufgabe einem Kreativitätstest unterzogen. Es zeigte sich, dass die Gruppe mit der Telefonbuch-Bedingung durch den Test signifikant kreativer eingestuft wurde (Mann und Cadman 2014). Die Kreativität kommt also erst dann, wenn wir unserem Gehirn einmal eine Pause gönnen.

Langeweile fördert die Kreativität.


Wieso, weshalb, warum…wer nicht fragt, bleibt dumm!

Zu guter Letzt darf man sich Folgendes von den Kleinen abschauen: Kinder trauen sich alles zu fragen und schämen sich nicht dafür. Und genau diese Neugierde hält uns am Leben, es ist die grösste Stärke des Menschen. Es ist aufregend sich solche Dinge zu fragen, wie „Warum kriegt ein Specht keine Kopfschmerzen, wenn er ständig mit seinem Schnabel gegen den harten Baum hämmert?“ oder „Ist eine Rabenmutter wirklich eine schlechte Mutter für ihre Rabenkinder?“ oder „Wie kommt das Salz in das Meer?“

Ich finde wir dürfen wieder mehr Neugierde an den Tag legen, mehr lernen und mehr Allgemeinwissen haben. Das ganze Leben hinterfragen.


Fazit…

Das sind die drei Dinge, die wir von Kindern lernen können, um noch resilienter zu sein. Wir klagen immer darüber, dass wir so viel zu tun haben und nicht mehr hinterherkommen mit unserer Arbeit. Trotzdem halten wir es kaum aus, Langeweile zu fühlen. Warum nicht einfach mit einer Tasse Tee auf dem Balkon sitzen? Warum nicht einfach Löcher in die Luft starren? 

Oder warum nicht wieder neugierig sein und hinterfragen, warum die dunklen, schweren Wolken am Himmel nicht herunterfallen? Ich hoffe, du kannst es für dich umsetzen und so resilienter werden in deinem Alltag!

Das Video kannst du dir hier ansehen:

 


Literaturverzeichnis

Wilson, Timothy D.; Reinhard, David A.; Westgate, Erin C.; Gilbert, Daniel T.; Ellerbeck, Nicole; Hahn, Cheryl et al. (2014): Social psychology. Just think: the challenges of the disengaged mind. In: Science (New York, N.Y.) 345 (6192), S. 75–77.

Mann, Sandi; Cadman, Rebekah (2014): Does Being Bored Make Us More Creative? In: Creativity Research Journal 26 (2), S. 165–173. DOI: 10.1080/10400419.2014.901073 .